Im nie abreißenden Strom der Glücksratgeber-Bücher spielen Küchentücher ebenso wie Bettlaken, Kissenbezüge und Vorhänge kaum eine Rolle. Das ist unverständlich und zweifellos ein Versäumnis. Ich versichere Ihnen: Der Stoff, aus dem das kleine Glück gewebt ist, heißt Leinen. Altes Leinen.
Allein der Anblick! Fünfzig Schatten von Beige-Braun. Grautöne in mannigfaltigen Abstufungen, viele zum Verlieben schön. Darauf die roten, blauen oder schwarzen Streifen der alten Manufakturen. Geheimnisvolle Aufdrucke und Namenskürzel, die von Aufstieg oder Niedergang vergangener Dynastien künden. Von privaten Festen, Hochzeiten vielleicht. Von sehnsuchtsvoll erwarteten Lieferungen. Vom Transport auf Pferdewagen. Jedes Stück Leinen könnte eine Geschichte erzählen. Könnte. Denn die alten Zeichen deuten nur an, sie verraten nichts. Der Rest bleibt Fantasie.
Allein das Gefühl! Leinen liebkost die Haut. Selbst in seiner rauesten Form löst es ein leises Wohlbefinden aus. In Leinen gebettet, heißt gut gebettet. Seit er eine Vorliebe für deftige Geschirrspültücher aus Leinen entdeckt hat, bildschön rot oder blau kariert, lässt es sich mein Mann nicht nehmen, wieder händisch abzutrocknen. Kein Scherz.
Stoffe sammeln, damit habe ich früh begonnen. Ich bin auf der holländischen Seite des Limburger Landes aufgewachsen, Belgien gleich nebenan. Beides sind Regionen mit jahrhundertealter Tuch-Tradition. Sonntags stöberte ich auf Brocantes, den Flohmärkten. Ich hatte strenge, aber liebenswerte Lehrmeisterinnen. Der Radius meiner Leidenschaft weitete sich mit dem Älterwerden. Bald eroberte ich meine kleinen trouvailles (Fundstücke) in Frankreich – Leinen, Hanf, Baumwolle, Jute. Alles, was mein Herz höher schlagen ließ.
Eine der wichtigsten Voraussetzungen eines jedes Ankaufs aber blieb: Der Stoff musste wirklich glücklich machen, das heißt er durfte nicht aus Massenproduktion stammen, nichts Chemisches an sich haben oder den Beigeschmack von Ramsch.
Stoffe, die mich begeistern, sind Naturprodukte – rein, umweltschonend und meist von Hand hergestellt, mit klarer Webstruktur, farblich für sich einnehmend und gern auch bestickt.
Natürlich ist mit den Jahren einiges zusammengekommen. Und es wird immer mehr. Sammler gelten gemeinhin als süchtig, mindestens aber suchtgefährdet. Dem möchte ich widersprechen. Eine Leidenschaft für schöne Stoffe darf sich gefahrlos ausleben. Es gibt gewiss Schlimmeres.
Ich freue mich über begeisterte Kunden, die eins meiner alten französischen Leinenlaken auspacken, sich an der Schönheit des Stoffs erfreuen und mit der Hand liebevoll darüberstreichen. So ein Laken kann einfach nur daliegen, auf dem Sofa, auf dem Bett – es begeistert! Sind Sie schon einmal auf handbesticktem Paradekissen eingeschlafen? Haben Sie je von einem Tisch gegessen, dessen prachtvolle Leinendecke dem Mahl als Grundton diente?
Meine alten Stoffe – man spricht in diesem Zusammenhang auch gern von „antiken Stoffen“ – tragen noch eine Menge Leben in sich. Sie sind frei von Pestiziden, ihre Wiederverwendung ist das reinste Vergnügen, buchstäblich.
Alles, was Sie in meinem Angebot finden, wurde mit größter Sorgfalt geprüft. Nicht alles aber konnte auch gewaschen werden, bei riesigen Ballen wäre das ein Ding der Unmöglichkeit, denn sie kommen sozusagen im Fundzustand. Auf Besonderheiten und Mängel weise ich jeweils hin.
Für Rückfragen, auch für Reklamationen, stehe ich selbstverständlich jederzeit zur Verfügung. Mein Wunsch wäre, dass Sie meine Freude an den Stoffen teilen. Denn auch das zeichnet einen Sammler aus: Geteilte Freude ist doppelte Freude.
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Die Tücher in meiner Küche sehen so aus, als würde ich sie täglich durch Kaffee ziehen und mit Lederpflege kochen. Sie haben Flecken, große, kleine. Sie kommen oft genug in die Kochwäsche. Sie werden geschleudert, nicht mal gebügelt, nur glatt gezogen und sind gleich wieder im Einsatz. Das klappt mit den alten Handtüchern eigentlich ganz gut. Sie ertragen alles mit Würde.
Sie sind - wie die meisten Stoffe bei mir - aus Leinen. Sie sind groß, manche stammen aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts. Sie haben Monogramme, die schönen Jugendstilstücke haben Streifen und Muster. Ich habe Handtücher mit dem Trompeter von Säckingen. Den kannte ich auch nicht, bis er mir auf Leinen begegnete. Ein Bürgersohn, 1633 geboren, der eine Adelstochter liebte, sie gegen jeden Widerstand heiratete und mit ihr fünf Kinder bekam. Eine Liebesgeschichte also. Er wurde Ratsherr und war Kaufmann. Mit dieser prominenten Vita schaffte er es nach seinem Tod als Trompeter von Säckingen in den kommenden Jahrhunderten auf teures Leinen. Und in meine Kochwäsche.
Im Jugendstil bekamen Küchentücher elegante, florale Ornamente. Und sie waren plötzlich nicht mehr aus grobem Bauernleinen, sondern teurem Damast. Das ist der Stoff, auf dem Ornamente besonders edel glänzen. Und obendrein beidseitig zu sehen sind. Um diesen idealen Zustand zu erhalten, darf man die Tücher nie waschen - nur angucken. Ich hatte eine Kundin, die ihr Jugendstilhandtuch als Tischläufer verwendete. Nach einigen Wäschen war die anfängliche Brillanz futsch. Das muss man wissen. Leinen wird mit jedem Waschgang weicher und leuchtet zwar immer noch, nur nicht mehr wie auf Hochglanz poliert. Es sei denn: man stärkt es und bügelt drauf los. Zu viel Stärke - früher war es reine Kartoffelstärke, die nicht aus der Sprühdose kam - kann Leinen aber auch steif machen. Dann fällt es nicht gefällig, dafür schützt Stärke ein bisschen vor Flecken. Saft oder Kaffee können nicht so schnell und tief in die Stofffasern eindringen. Alles hat sein Für und Wider.
Ich gehe großzügig und nicht zimperlich mit Handtüchern in der Küche um. Sie werden auch nicht versteckt, weil sie im Pulk erst richtig gut aussehen. Ein paar Stücke aus meiner Sammlung sind mir dann aber doch zu schade fürs Grobe. Das sind zum Beispiel die, mit denen ich das Brot zum Frischhalten einwickle. Leinen ist antibakteriell - bewahrt Brot also vor zu schnellem Schimmeln. Einfach gut einschlagen – wirkt. Manche meiner Lieblingshandtücher kommen als Tischdecken zum Einsatz. Die sehen selbst dann noch gut aus, wenn sie kleine Makel haben. Die meisten meiner Stoffe haben irgendwas. Kleine Fleckchen, Löchlein, Stockflecken. Bei einem Alter von manchmal 100 Jahren dürfen sie das. Dafür weiß ich ziemlich sicher, dass die alten Stücke nicht chemisch vorbelastet sind. Die Felder, auf denen Flachs früher wuchs, wurden zu Beginn des letzten Jahrhunderts noch nicht mit Pestiziden behandelt. Heute muss man auf Biostoffe zurückgreifen. Und die sind durchaus teuer.
Manchmal wundern sich Kunden über die Preise für alte Leinenhandtücher, sind ja schließlich alt und gebraucht. 15 oder 20 Euro pro Stück, das ist ihnen oft zu viel. Ist das so? Darf ein guter Stoff nicht auch etwas kosten? Bei meinen antiken Stücken kann ich aus Erfahrung sagen, dass sie ihren Preis wert sind. Ich habe unglaublich lange von ihnen. Obwohl ich sie nicht schone. Und bei Maßen von 50 x 120 Zentimeter bekommt man schon jede Menge Stoff, inklusive das gute Gefühl, nachhaltig zu handeln.
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Dafür hat Leinen seinen Preis. 30 bis 50 Euro pro Meter sind kein Wucher, sondern Durchschnitt. Antikes Leinen kann die Summe noch toppen. Der Stoff ist wie kaum ein anderer langlebig, das liegt an seiner Faserdichte. Tücher von 1890 erwecken gerne mal den Anschein, neu zu sein, dabei wurden sie durchaus benutzt. Leinen wird mit jedem Waschgang weicher und griffiger. Die Faser nutzt sich im Vergleich zu anderen Textilien minimal ab. Wer kann mit 100 Jahren von sich behaupten, noch so gut auszusehen? Und nachhaltig ist Leinen damit allemal.
Leinen: Macht wenig Arbeit und ist robust
Was die Pflege betrifft: der Stoff bevorzugt einen Waschgang im Alleingang. Ein Bettlaken oder einen Bettbezug steckt man am besten solo in die Waschtrommel. Der Stoff will sich ausbreiten, je voller die Trommel ist, desto hartnäckiger die Falten. Und die hängen sich dann leider nicht auf der Wäscheleine und im Wind aus, die bleiben. Es sind dann keine schönen Knitterfalten mehr, sondern harte Kanten. Natürlich kann man die Laken oder Tischdecken kochen, 60 Grad reichen aber dicke aus. Ausnahme: Stoffe, die mit Naturfarben koloriert wurden nur bis 40 Grad waschen und sanft schleudern.
Will man den Stoff vernähen, immer vorher waschen, dann ist man auf der sicheren Seite. Leinen läuft bei der ersten Wäsche ein. Man sagt so über den Daumen: der Stoff schrumpft bis zu fünf Prozent. Das kann einiges ausmachen.
Welches Reinigungsmittel? Die Waschnuss zum Beispiel ist natürlich und reinigt sehr gut. Jedes leichte, sanfte Waschmittel eignet sich. Leinen verträgt Weichspüler. Aber kein Bleichmittel verwenden. Früher hat man die Stoffe in der Sonne gebleicht. Das funktioniert heute noch so. Weißes Leinen lässt sich außerdem wunderbar reinigen, wenn man in die Trommel ein bisschen Backpulver gibt - oder ein bisschen Pulver gleich rauf auf den Fleck.
Leinen nie auswringen und nur auf links bügeln
Handwäsche? Geht immer, aber die Stoffe - ob Laken oder Kleidung aus Leinen - bloß nicht auswringen. Das bringt zusätzliche Falten. Lieber in ein Handtuch rollen und das Wasser ausdrücken. Und den Rest auf der Leine austropfen lassen. Pullover nicht hängen, lieber legen, sonst ziehen sie sich endlos lang. Das war's schon - wie gesagt, Leinen macht kaum Arbeit.
Ab in den Trockner? Geht auch. Aber nicht zur Gänze trocknen. Leinen im klammen Zustand herausholen und entweder gut ausgebreitet auf der Leine zu Ende trocknen lassen. Oder direkt bügeln. So lassen sich die Knitterfalten am leichtesten glätten.
Stichwort Bügeln - kein Problem. Aber nur auf links, und es ist nicht leicht, man braucht ordentlich Hitze oder Dampf. Leinen knittert immer. Das macht seinen Charme aus. Mit jedem Waschgang wird der Stoff weicher, er ist dann angenehmer auf der Haut, und die Falten verlieren ihre Ecken. Also auch optisch ein Plus. Leinenhemden lassen sich mit Wäschestärke etwas in Form bringen, aber auch nicht auf Dauer.
Waschleinen wurde mit Enzymen vorbehandelt und ist deshalb schön weich
Waschleinen oder Stone washed Leinen bezeichnet eine Herstellungsart. Die Faser wird einer Enzymwaschung unterzogen. Dadurch läuft der Stoff zwar ein - bis zu 15 Prozent. Wird aber weich. Man muss also erst gar nicht zig Mal waschen, die Enzyme haben die Eiweißverbindungen aus der Faser herausgespült. Im Gegensatz zu einer chemischen Behandlung - die gibt es natürlich auch - bleibt Leinen, das mit Enzymen bearbeitet wurde, immer weich. Die Chemie dagegen wäscht sich schnell wieder heraus, und das Leinen verliert seine Geschmeidigkeit und Weichheit. Leider ist die Haltbarkeit der enzymbehandelten Faser nicht ganz so lang wie bei unbehandeltem Leinen. Das ist dann aber auch schon der einzige Nachteil.
Im Handel wird gerne das Gewicht per Quadratmeter angegeben. Das dicke Bauernleinen, das grob von Hand gewebt wurde, wiegt zwischen 300 und 450 Gramm/m². In solchen Stoffen sieht man oft Knötchen, die von den gröberen Fasern herrühren. Sie sind begehrt für Sitzbezüge oder Vorhänge im Vintage-Look. Kornsäcke wurden aus solchen Bauernleinen hergestellt. Die feineren Stoffe werden als Leinenbatist gehandelt. Gewicht: 150 bis 200 Gramm/m². Sie haben einen schönen Glanz von der pflanzeneigenen Wachsschicht. Und sie sind weicher, die Faser ist edler. Vermutlich kommen sie aus Frankreich. Canvas wird für Schuhe oder Taschen verwendet. Es ist ein besonders robuster Leinenstoff, wiegt bis zu 600 Gramm/m². Kaum für Bettwäsche geeignet.
Leinenballen, die im Antikhandel und auf Märkten zu bekommen sind, waren Aussteuerware. Noch Mitte des 20sten Jahrhunderts gab es diese Mitgift, Stoffbahnen (üblicherweise handgewebt) bis zu 25 Meter lang und 75 cm breit. Aus ihnen konnten die Hausfrauen Küchenhandtücher nähen, Tischwäsche und Vorhänge. Die Ballen sind in Leinenfarben zu bekommen, manchmal auch mit Mittelstreifen. Begehrte Sammlerstücke. Da aufgerollt, hat das Leinen keine Brüche, dafür nicht selten Lagerflecken, die beim Waschen und anschließendem Bleichen in der Sonne verschwinden.
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