Neulich in einem sehr schönen Lädchen in einer sehr schönen Stadt: Maastricht. Da hängt ein Küchenhandtuch, zart bedruckt mit filigranen Mustern. Hübsch. 20 Euro immerhin. Ich habe keinen akuten Mangel an Küchenhandtüchern. Aber eins mehr oder weniger tut nicht weh, denke ich, während ich auf das Materialschild gucke: Maschinenwäsche bis 30 Grad. Was soll man mit so einem Weichei in der Küche? Es ist kein Seidenschal, damit wird gearbeitet.
Die Tücher in meiner Küche sehen so aus, als würde ich sie täglich durch Kaffee ziehen und mit Lederpflege kochen. Sie haben Flecken, große, kleine. Sie kommen oft genug in die Kochwäsche. Sie werden geschleudert, nicht mal gebügelt, nur glatt gezogen und sind gleich wieder im Einsatz. Das klappt mit den alten Handtüchern eigentlich ganz gut. Sie ertragen alles mit Würde.
Wringen, kochen, schleudern - Leintücher ertragen viel
Sie sind - wie die meisten Stoffe bei mir - aus Leinen. Sie sind groß, manche stammen aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts. Sie haben Monogramme, die schönen Jugendstilstücke haben Streifen und Muster. Ich habe Handtücher mit dem Trompeter von Säckingen. Den kannte ich auch nicht, bis er mir auf Leinen begegnete. Ein Bürgersohn, 1633 geboren, der eine Adelstochter liebte, sie gegen jeden Widerstand heiratete und mit ihr fünf Kinder bekam. Eine Liebesgeschichte also. Er wurde Ratsherr und war Kaufmann. Mit dieser prominenten Vita schaffte er es nach seinem Tod als Trompeter von Säckingen in den kommenden Jahrhunderten auf teures Leinen. Und in meine Kochwäsche.
Im Jugendstil bekamen Küchentücher elegante, florale Ornamente. Und sie waren plötzlich nicht mehr aus grobem Bauernleinen, sondern teurem Damast. Das ist der Stoff, auf dem Ornamente besonders edel glänzen. Und obendrein beidseitig zu sehen sind. Um diesen idealen Zustand zu erhalten, darf man die Tücher nie waschen - nur angucken. Ich hatte eine Kundin, die ihr Jugendstilhandtuch als Tischläufer verwendete. Nach einigen Wäschen war die anfängliche Brillanz futsch. Das muss man wissen. Leinen wird mit jedem Waschgang weicher und leuchtet zwar immer noch, nur nicht mehr wie auf Hochglanz poliert. Es sei denn: man stärkt es und bügelt drauf los. Zu viel Stärke - früher war es reine Kartoffelstärke, die nicht aus der Sprühdose kam - kann Leinen aber auch steif machen. Dann fällt es nicht gefällig, dafür schützt Stärke ein bisschen vor Flecken. Saft oder Kaffee können nicht so schnell und tief in die Stofffasern eindringen. Alles hat sein Für und Wider.
Ich gehe großzügig und nicht zimperlich mit Handtüchern in der Küche um. Sie werden auch nicht versteckt, weil sie im Pulk erst richtig gut aussehen. Ein paar Stücke aus meiner Sammlung sind mir dann aber doch zu schade fürs Grobe. Das sind zum Beispiel die, mit denen ich das Brot zum Frischhalten einwickle. Leinen ist antibakteriell - bewahrt Brot also vor zu schnellem Schimmeln. Einfach gut einschlagen – wirkt. Manche meiner Lieblingshandtücher kommen als Tischdecken zum Einsatz. Die sehen selbst dann noch gut aus, wenn sie kleine Makel haben. Die meisten meiner Stoffe haben irgendwas. Kleine Fleckchen, Löchlein, Stockflecken. Bei einem Alter von manchmal 100 Jahren dürfen sie das. Dafür weiß ich ziemlich sicher, dass die alten Stücke nicht chemisch vorbelastet sind. Die Felder, auf denen Flachs früher wuchs, wurden zu Beginn des letzten Jahrhunderts noch nicht mit Pestiziden behandelt. Heute muss man auf Biostoffe zurückgreifen. Und die sind durchaus teuer.
Altes Leinen ist chemisch unbehandelt
Manchmal wundern sich Kunden über die Preise für alte Leinenhandtücher, sind ja schließlich alt und gebraucht. 15 oder 20 Euro pro Stück, das ist ihnen oft zu viel. Ist das so? Darf ein guter Stoff nicht auch etwas kosten? Bei meinen antiken Stücken kann ich aus Erfahrung sagen, dass sie ihren Preis wert sind. Ich habe unglaublich lange von ihnen. Obwohl ich sie nicht schone. Und bei Maßen von 50 x 120 Zentimeter bekommt man schon jede Menge Stoff, inklusive das gute Gefühl, nachhaltig zu handeln.