DIE ADRESSE FÜR ANTIKE STOFFE

Das große Knittern


Leinen glatt bügeln, so richtig glatt - ich wünsche gutes Gelingen. Ich mühe mich schon lange nicht mehr damit ab. Erstens, fehlt mir die Zeit. Zweitens, ist es doch so: Leinen muss knittern. Genau so ist das nämlich. Dann erst sieht's richtig gut aus. Ein mit Leinen bezogenes Bett ist der Inbegriff der Gemütlichkeit - zerwühlt, im Sommer kühl, im Winter kuschelig weich (und kein einziges Mal das Bügeleisen gezückt. Herrlich!). Allen Verfechtern der Makellosigkeit sei angeraten, hier nicht weiterzulesen. Klicken Sie weiter, am besten jetzt! Denn es kommt noch schlimmer: ich mag altes Leinen. 100 Jahre alt? Gerne! Leinen mit Löchern habe ich, Leinen mit Flecken ebenso. Würde ich nie in die Tonne werfen. Altes Leinen ist fantastisch. Hat gelebt, wurde mit viel Mühe und Bedacht gewebt, oft von Hand. Und man kann mit Sicherheit sagen, dass antikes Leinen aus chemisch unbehandelten Fasern hergestellt wurde. Das ist heute nicht die Regel, eher das Gegenteil. Leinen ist mit der Zeit zu meinem Lieblingsstoff geworden: es ist so wunderbar unkompliziert. 

Dafür hat Leinen seinen Preis. 30 bis 50 Euro pro Meter sind kein Wucher, sondern Durchschnitt. Antikes Leinen kann die Summe noch toppen. Der Stoff ist wie kaum ein anderer langlebig, das liegt an seiner Faserdichte. Tücher von 1890 erwecken gerne mal den Anschein, neu zu sein, dabei wurden sie durchaus benutzt. Leinen wird mit jedem Waschgang weicher und griffiger. Die Faser nutzt sich im Vergleich zu anderen Textilien minimal ab. Wer kann mit 100 Jahren von sich behaupten, noch so gut auszusehen? Und nachhaltig ist Leinen damit allemal.

Leinen: Macht wenig Arbeit und ist robust

Was die Pflege betrifft: der Stoff bevorzugt einen Waschgang im Alleingang. Ein Bettlaken oder einen Bettbezug steckt man am besten solo in die Waschtrommel. Der Stoff will sich ausbreiten, je voller die Trommel ist, desto hartnäckiger die Falten. Und die hängen sich dann leider nicht auf der Wäscheleine und im Wind aus, die bleiben. Es sind dann keine schönen Knitterfalten mehr, sondern harte Kanten. Natürlich kann man die Laken oder Tischdecken kochen, 60 Grad reichen aber dicke aus. Ausnahme: Stoffe, die mit Naturfarben koloriert wurden nur bis 40 Grad waschen und sanft schleudern.

Will man den Stoff vernähen, immer vorher waschen, dann ist man auf der sicheren Seite. Leinen läuft bei der ersten Wäsche ein. Man sagt so über den Daumen: der Stoff schrumpft bis zu fünf Prozent. Das kann einiges ausmachen.

Welches Reinigungsmittel? Die Waschnuss zum Beispiel ist natürlich und reinigt sehr gut. Jedes leichte, sanfte Waschmittel eignet sich. Leinen verträgt Weichspüler. Aber kein Bleichmittel verwenden. Früher hat man die Stoffe in der Sonne gebleicht. Das funktioniert heute noch so. Weißes Leinen lässt sich außerdem wunderbar reinigen, wenn man in die Trommel ein bisschen Backpulver gibt - oder ein bisschen Pulver gleich rauf auf den Fleck.   

Leinen nie auswringen und nur auf links bügeln

Handwäsche? Geht immer, aber die Stoffe - ob Laken oder Kleidung aus Leinen - bloß nicht auswringen. Das bringt zusätzliche Falten. Lieber in ein Handtuch rollen und das Wasser ausdrücken. Und den Rest auf der Leine austropfen lassen. Pullover nicht hängen, lieber legen, sonst ziehen sie sich endlos lang. Das war's schon - wie gesagt, Leinen macht kaum Arbeit. 

Ab in den Trockner? Geht auch. Aber nicht zur Gänze trocknen. Leinen im klammen Zustand herausholen und entweder gut ausgebreitet auf der Leine zu Ende trocknen lassen. Oder direkt bügeln. So lassen sich die Knitterfalten am leichtesten glätten. 

Stichwort Bügeln - kein Problem. Aber nur auf links, und es ist nicht leicht, man braucht ordentlich Hitze oder Dampf. Leinen knittert immer. Das macht seinen Charme aus. Mit jedem Waschgang wird der Stoff weicher, er ist dann angenehmer auf der Haut, und die Falten verlieren ihre Ecken. Also auch optisch ein Plus. Leinenhemden lassen sich mit Wäschestärke etwas in Form bringen, aber auch nicht auf Dauer.

Waschleinen wurde mit Enzymen vorbehandelt und ist deshalb schön weich

Waschleinen oder Stone washed Leinen bezeichnet eine Herstellungsart. Die Faser wird einer Enzymwaschung unterzogen. Dadurch läuft der Stoff zwar ein - bis zu 15 Prozent. Wird aber weich. Man muss also erst gar nicht zig Mal waschen, die Enzyme haben die Eiweißverbindungen aus der Faser herausgespült. Im Gegensatz zu einer chemischen Behandlung - die gibt es natürlich auch - bleibt Leinen, das mit Enzymen bearbeitet wurde, immer weich. Die Chemie dagegen wäscht sich schnell wieder heraus, und das Leinen verliert seine Geschmeidigkeit und Weichheit. Leider ist die Haltbarkeit der enzymbehandelten Faser nicht ganz so lang wie bei unbehandeltem Leinen. Das ist dann aber auch schon der einzige Nachteil.

Im Handel wird gerne das Gewicht per Quadratmeter angegeben. Das dicke Bauernleinen, das grob von Hand gewebt wurde, wiegt zwischen 300 und 450 Gramm/m². In solchen Stoffen sieht man oft Knötchen, die von den gröberen Fasern herrühren. Sie sind begehrt für Sitzbezüge oder Vorhänge im Vintage-Look. Kornsäcke wurden aus solchen Bauernleinen hergestellt. Die feineren Stoffe werden als Leinenbatist gehandelt. Gewicht: 150 bis 200 Gramm/m². Sie haben einen schönen Glanz von der pflanzeneigenen Wachsschicht. Und sie sind weicher, die Faser ist edler. Vermutlich kommen sie aus Frankreich. Canvas wird für Schuhe oder Taschen verwendet. Es ist ein besonders robuster Leinenstoff, wiegt bis zu 600 Gramm/m². Kaum für Bettwäsche geeignet.

Leinenballen, die im Antikhandel und auf Märkten zu bekommen sind, waren Aussteuerware. Noch Mitte des 20sten Jahrhunderts gab es diese Mitgift, Stoffbahnen (üblicherweise handgewebt) bis zu 25 Meter lang und 75 cm breit. Aus ihnen konnten die Hausfrauen Küchenhandtücher nähen, Tischwäsche und Vorhänge. Die Ballen sind in Leinenfarben zu bekommen, manchmal auch mit Mittelstreifen. Begehrte Sammlerstücke. Da aufgerollt, hat das Leinen keine Brüche, dafür nicht selten Lagerflecken, die beim Waschen und anschließendem Bleichen in der Sonne verschwinden.